Wenn es beim Radfahren am Hintern schmerzt, oder die Finger taub werden, dann stimmt etwas nicht. Ein junges Unternehmen aus Kieritzsch bietet Lösungen an, als Gesamtpaket für Händler und demnächst auch im eigenen Geschäft für Endkunden.

Foto: André Neumann
Das grau-grüne Stoffteil, das Antje Bauer über einen Fahrradsattel stülpt, ist kein gewöhnlicher Sattelüberzug. Es ist eine Satteldruckanlysematte. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich ein guter Gedanke: Es geht um die richtige Sitzposition auf dem Fahrrad, in der man bequem und komfortabel radeln kann, ohne dass irgendwann irgendwas am Körper weh tut, ermüdet oder gar taub wird.
Siegmar Müller (66), Björn Müller (42) und Antje Bauer (38), Vater, Sohn und Schwiegertochter, betreiben gemeinsam in Kieritzsch das Unternehmen Velometrik. Die Matte, die sie entwickelt haben, besteht auf der Innenseite aus einem dichten Geflecht elektrisch leitfähiger Fäden. Der Stom leitet den Strom um so stärker, je derber er gedrückt wird.
Bike Fitting ist im Sport schon länger verbreitet
Wer sich darauf setzt, muss keine Angst haben, dass es am Gesäß kribbelt, der Strom ist nur schwach. Dafür erscheint auf dem angeschlossenen Computerbildschirm ein mehrfarbiges Bild, das anzeigt, wie sich auf dem Sattel der Druck verteilt – und wo er etwa zu hoch ist.

Foto: André Neumann
Nun kann man an verschieden Stellen des Rades Einstellungen ändern, Sattel und Lenkerhöhe verstellen, eventuell Teile austauschen, bis es zu einer gleichmäßigen Druckverteilung auf dem Sattel kommt. Bike Fitting heißt das. Die Methode, das Rad optimal an den Fahrer anzupassen, sagt Antje Bauer, werde im Leistungssport schon seit Jahren angewendet. Im Alltagsradfahren halte sie erst langsam Einzug. Velometrik beschäftigt sich darüber hinaus auch ganz speziell mit dem Sattel, der eigentlichen Verbindung zwischen Mensch und Rad: „Erst messen, dann kaufen“ lautet das Credo von Velometrik. „Damit man“, veranschaulicht Bauer mit einer Übertreibung, „nicht im XS-Pullover rumläuft, wenn man einen Bierbauch hat“.
Kieritzscher setzen auf digitale Sitzknochenvermessung
Das immerhin würde nur blöd aussehen. Passt hingegen der Hintern nicht auf den Sattel, kann das auf Dauer schmerzhaft sein. „Wenn man anfängt, auf dem Sattel hin und her zu rutschen“, sagt Björn Müller, ist das ein sicheres Zeichen, dass etwas nicht stimmt. Spätestens dann ist Zeit für die Vermessung der Sitzknochen, wobei Velometrik das schon beim Kauf des Fahrrades empfehlt. Das Prinzip gibt es schon länger, mechanisch mit Papier auf einer Noppenmatte oder mit einem flachen Kissen auf einem Scanner. Die Kieritzscher setzen auf die digitale Variante und haben einen speziellen Hocker entwickelt, auf den der Kunde sich setzt. Die Elektronik liefert den Sitzknochenabstand und ein Bild direkt an einen Bildschirm. Die zugehörige Software hat noch einige Fragen parat zu Fahrgewohnheiten, Art des Rades und Vorlieben und liefert dann im Handumdrehen Vorschläge für passende Sättel aus dem Sortiment des
jeweiligen Händlers.
Denen stellt Velometrik den Hocker und die Software als individuelles Gesamtpaket zur Verfügung. Auf diese Weise sorgen schon einige große Radhändler und ‑Hersteller in Deutschland und etliche kleinere im Inund Ausland für den Fahrkomfort ihrer Kunden.
In Kieritzsch war für Endkunden nicht genug Platz

Foto: André Neumann
Velometrik selbst beschränkte sich bisher auf Entwicklung und Vertrieb. Für Vermessungen am Endkunden war in dem kleinen Häuschen in Kieritzsch, wo die innovative Firma vor sechs Jahren gegründet wurde, kein Platz. Das ändert sich jetzt.
Am 13. Juni eröffnet Velometrik ein Ladengeschäft in Groitzsch in der Schusterstraße 7. Auf 300 Quadratmetern ist dort Platz für einen Showroom, in dem Radhändler sich anschauen können, wie die Sitzknochenvermessung und die Satteldruckanalyse funktionieren. Daneben können Endkunden das hier gleich selbst in Anspruch nehmen, sich nach der Vermessung den passenden Sattel zulegen und mit vorrätigen Teilen ihr Rad optimieren. Einige Kompletträder, E‑Bikes, Mountainbikes und Klappräder bietet Velometrik im eigenen Laden ebenfalls an. Der übrigens „Sitzknochen“ heißen wird. Geöffnet wird vorläufig Donnerstag und Freitag 14 bis 19 Uhr und Sonnabend 10 bis 16 Uhr.
Von André Neumann
Quelle: https://www.lvz.de/Region/Borna/Besser-Radeln-Tueftler-aus-Kieritzsch-eroeffnen-Showroom-in-Groitzsch